„Vielfalt zu stärken, damit jüdisches Leben in Deutschland eine Zukunft hat“
Worte zum neuen jüdischen Jahr 5777, 2./3. Oktober 2016
Wir Juden haben allen Grund, zuversichtlich in das neue Jahr 5777 zu blicken: In den letzten zehn Jahren hat sich in Deutschland eine jüdische Zivilgesellschaft ausgebildet, die weit über althergebrachte Strukturen hinausreicht und wichtige religiöse, kulturelle und soziale Akzente setzen kann: in der Jugend- und Studierendenarbeit, für ein Miteinander mit den muslimischen und christlichen Gemeinschaften, getragen von der Wertschätzung durch unser Gemeinwesen in Deutschland.
Das sind Zeichen der Gesundung. Die jüdische Gemeinschaft entwickelt sich vielfältig und wird bunter, selbstbewusster.
Dagegen stehen Trends in unseren Gemeinden wie die Überalterung. Mitgliederzahlen sinken, das Gemeindeleben wird sich in den kommenden Jahrzehnten in den großen Ballungsräumen unseres Landes konzentrieren. Wir werden diese Entwicklungen aber bewältigen, wenn wir unsere Talente mobilisieren und auf eine vielstimmige und lebendige Gemeinschaft setzen.
Auch müssen wir wachsam bleiben und unsere Nachbarn und Mitbürger zur Wachsamkeit ermuntern: rechtsradikale und antisemitische Tendenzen in unserer Gesellschaft erfordern allgemeinen Widerspruch und mutiges Dagegenhalten. Dazu gehört, Bedenken zu überwinden und sich beherzt an die Seite derer zu stellen, die die Erfahrung von Flucht, Vertreibung und Tod mit uns teilen.
Möge es uns im neuen Jahr gelingen, im Zusammenwirken mit allen, die guten Willens sind, zu mehr Gerechtigkeit in unserer Gesellschaft zu finden!
Rabbiner Prof. Walter Homolka
Rektor des Abraham Geiger Kollegs